Als Gemüsegärtner:in macht man schnell die Erfahrung: im Gartenbereich kursiert viel Althergebrachtes bzw. offen Überholtes. Für den Gemüsegarten der letzten 150 Jahre galten Grundsätze wie «Der frühe Vogel fängt den Wurm», «Nur der Gärtner weiss, was ihm blüht» oder «Gartenarbeit sieht man nur, wenn sie nicht gemacht ist» (Kristin Gottwald). Kurz: ein Gemüsegarten bedeutete nach starren Regeln und Terminen strukturierte Arbeit.
Und was gilt für den Gemüsegarten der Zukunft? «Weniger ist mehr» vielleicht, oder wie Fukuoka Masanobu, grosser Wegbereiter der Permakultur, es ausdrückte: „Man muss Wissen nicht von der Wissenschaft haben. Es reicht, von der Natur zu lernen, d.h. sie zu imitieren“.
Dieser Grundsatz ist nicht neu. Frühere Kulturen praktizierten oft eine sogenannte «spielerische Landwirtschaft». Sie nutzten Anbaumethoden, welche zu grossen Teilen aus Beobachten und sanftem Lenken bestanden. Das Spektrum an genutzten Pflanzen pro Einheit war grösser, der Boden wurde weitgehend sich selber überlassen und die Landwirtschaft resp. das Gärtnern wurde oft saisonal betrieben und kombiniert mit Jagd und Sammeltätigkeiten. Boden war Gemeingut, ja sogar eine der Klasse der Güter entzogene allgegenwärtige und allmächtige Tatsache. In nordamerikanischen indigenen Gemeinschaften manifestierte sich dieser Glaube im Ausdruck «Mutter Erde».
Diesen, ehemals global existierenden, Landnutzungen gegenüber steht das westliche «private Eigentumsrecht», welches auf der Bodennutzung fusst: Der Boden gehört demjenigen, der ihn bearbeitet und der darauf Abgaben entrichtet. Und als ob es die Rechtmässigkeit dieser Annahme (und damit vielleicht auch die Rechtfertigung von Landraub, Mord und Vertreibung indigener Gemeinschaften) zu beweisen gälte, wird dieser Boden fortan auch wirklich eindrücklich bearbeitet! Plötzlich müssen Bäuerin und Bauer für ihren Lebensunterhalt «ackern». Die Landwirtschaft wird zum Synonym für harte und kein Ende nehmende Arbeit, gepaart mit einem Leben voller Entbehrungen. Mit immer grösseren Maschinen muss ein immer verärmterer Boden mit immer mehr organischen Düngern, Herbiziden und Insektiziden mehrmals jährlich bearbeitet werden. Und was im Grossen galt, das galt eben auch im kleineren, im Gemüsegarten.. eben, nur der Gärtner weiss, was ihm blüht.
Die Permakultur, in ihren Grundsätzen unterstützt von aktueller Forschung zu biologischem und anthroposophischem Landbau, wendet sich ab von diesem Denken. Hier übernimmt die Natur wieder das Zepter und der Mensch wird als Teil eines dem menschlichen Verstand und der menschlichen Verwaltungswut weitaus überlegenen Systems begriffen. Natur kann man sich nicht untertan machen, es gilt vielmehr, sie genau zu beobachten und sie wo möglich zu imitieren.
Dieser Weg führt weg vom chemischen Kampf gegen Schädlinge, weg von Monokulturen, riesigen Anbauflächen und tiefer Bodenbearbeitung. Es ist der Weg, welcher Masanobu Fukuoka als «The Great Way» bezeichnete und dieser Weg hat, wie er sich ausdrückte, kein Tor. Er steht also ausdrücklich ALLEN offen.
PS: Der Begriff der spielerischen Landwirtschaft ist dem Buch «Anfänge» entnommen. In diesem umfassenden und sehr gründlich recherchierten Buch unternehmen der Anthropologe David Graeber und der Archäologe David Wengrow den gewagten Versuch, eine neue Geschichte der Menschheit zu erzählen. Eine, deren Grundannahmen nicht auf fehlendem Wissenstransfer und -vermittlung von (oftmals sehr spezialisierter) Forschung zu Allgemeinheit beruht und die den Fokus weg von Konkurrenz hin zu Kooperation lenkt.