Nützlinge sind Kleintiere und Mikroorganismen, welche uns im Garten «helfen». Tiere also, welche durch ihre Aktivität oder durch ihre Lebensweise für unsere Garten-Ziele dienlich sind. Ein gutes Miteinander mit Ihnen verdanken Sie uns im Garten mit reichlicher und guter Ernte, einem gesunden Boden mit gutem Wasserrückhaltevermögen und mit wenig Schädlingen an unseren Pflanzen. Im Biogarten gilt darum: «Nützlinge fördern statt Schädlinge bekämpfen».
Denn die direkte Bekämpfung von Schadorganismen setzt einen Mechanismus in Gange, bei welchem der Mensch immer «wichtiger» wird und anfangen muss, Bereiche zu managen, welche letztendlich nicht kontrollierbar und für den Menschen auch nicht leistbar sind. Die Hilfsmittel des klugen biologisch Gärtnernden sind denn auch: eine gewisse Demut vor den Kräften und Geheimnissen der Natur sowie die klare Einsicht dass die menschliche Einflussnahme nie die Komplexität eines Ökosystems erreichen kann. Alle menschlichen Versuche, ein funktionierendes Ökosystem zu imitieren, sind bisher gescheitert.
Der Mensch vermag nicht abzuschätzen, welche Elemente wichtig sind, was warum da ist, ja was überhaupt da ist, welche Querverbindungen existieren, welche Funktionen redundant sind, welche von welchen Organismen und von welchen Prozessen abhängen, wer welche Funktion und Rolle warum innehat.
Übernimmt der Mensch in einem Ökosystem zu viel Kontrolle, so entgleisen die Systeme letzten Endes. Es kommt unweigerlich zu Biodiversitätsverlust und längerfristig zum Systemkollaps, in vielen Fällen auf der Welt sichtbar durch sekundäre Wüstenbildung.
Gut, soweit das grössere Ganze. Für das kleinere System Biogarten gilt letztendlich aber genau das Gleiche. (Ok, allenfalls wäre sekundäre Wüstenbildung durch primäre Schneckeninvasion zu ersetzen resp. zu ergänzen).
Dazu eine kleine Geschichte: Es war einmal und war auch nicht Herbst im Lande. Der fleissige Gärtner geht in den Garten und macht sich sogleich ans Werk. Die Saison ist vorbei, die Ernte eingebracht, nun gilt es aufzuräumen. Er schneidet sogleich verdorrte Stängel bodeneben ab, säubert den Garten von Laub und anderem organischen Material und führt danach alles der Grünabfuhr zu. Der Boden bleibt den Winter über nackt. So poliert er jeden Winkel des Gartens, unterbindet Wildwuchs, sorgt überall für klare Formen und Ordnung. Auch das den Garten umgrenzende Mäuerchen wird neu geschichtet und verputzt, so macht es wieder was her. Nun kommt ein Igel und zieht sogleich weiter. Er findet hier keinen Unterschlupf zum Überwintern, ausserdem fehlt es an Nahrung. Käfer nämlich gibt im Garten schon länger immer weniger, ihnen fehlt die humusreiche weiche Erde um sich zu verkriechen und auch für die Eiablage finden die Weibchen keinen passenden Ort. Die Blindschleiche schlich sich schon lange weg, in diesem Garten konnte sie nicht mehr schleichen! Wo sie nur hinging, war sie exponiert und damit den lauernden Räubern recht hilflos ausgesetzt. Die Eidechsen folgten ihr sogleich. Nur die Schnecken sieht der Gärtner jeden Frühling zuverlässig und immer zahlreicher. Er allein kümmert sich um sie.
Was bedeutet das Märchen vom fleissigen Gärtner? Nun, Igel sind Insektenfresser und ernähren sich hauptsächlich von Laufkäfern und Tausendfüßern. Sie fressen aber auch Spinnen und Schnecken. Eidechsen jagen Insekten, Spinnen und Schnecken. Blindschleichen fressen bevorzugt Nacktschnecken und Regenwürmer, aber auch Asseln, Spinnen, Heuschrecken, Käfer und Käferlarven, unbehaarte Raupen sowie weitere Insekten. Was eint also Igel, Eidechse und Blindschleiche? Genau, sie fressen Schnecken! Nur Schnecken? Nein. Auch Käfer und andere Insekten. Damit die grossen tierischen Helfer angelockt werden können, braucht es also neben Schnecken auch diverse Insekten im Garten. Diese wiederum sind nicht nur Nahrung für Igel und Co. sondern sind vielfach selbst hochgeschätzte Nützlinge im Garten: Von der Ordnung «Käfer», innerhalb der Klasse «Insekten», gibt es beispielsweise vier grosse Unterordnungen. Diese wiederum sind aufgeteilt in Familien. Eine dieser Familien sind die «Laufkäfer». Laufkäfer und deren Larven leben, soweit bekannt, überwiegend räuberisch und fressen dabei andere Insekten oder aber.. klar, Schnecken! Wie man es dreht und wendet, alles scheint mit allem verbunden.
Das oben gewebte Netz/Ökosystem ist natürlich extrem vereinfacht dargestellt. Löcher von Unwissen und Unvollständigkeiten prägen es. Was jedoch ganz klar ist, ist der Weg des Zerfalls: wenn ich irgendwo ins Netz schneide und beginne, am Faden zu ziehen, so löst sich das ganze Netz langsam aber unaufhaltbar auf.
Seit Juli steht darum bei uns im Garten eine Heutriste, eine nach traditionellem Vorbild erstellte Heulagerstätte im Freien. Die Wege im Garten säumen umgekehrte und mit Holzwolle gefüllte Tontöpfe, der Boden wird wo immer möglich mit Mulch bedeckt und so feucht gehalten und nachgenährt, die neu erstellte Treppe aus Betonplatten blieb ohne Kofferung. Dazukommen sollen bald eine Trockensteinmauer sowie verschiedene Totholzhaufen.
Hochachtungsvoll und in Arbeitsschweiss gebadet, rollen wir also den grünen Teppich aus und erwarten sehnlichst die Ankunft der unscheinbaren Könige des Gartens – der Nützlinge.